Die Homöopathie und ihre Wirkungsweise
Vortrag im Juli 2007 in PassauDer Begriff "Homöopathie" wird heute oft als Synonym für alle möglichen alternativen Heilmethoden oder Naturheilverfahren verwendet. Viele aus Pflanzen hergestellte Arzneistoffe werden inzwischen umgangssprachlich als "homöopathisch" bezeichnet.
Das ist jedoch nicht Homöopathie!
Also, was ist Homöopathie?
Geschichtliche Hintergründe
Im Jahre 1755 wurde Christian Friedrich Samuel Hahnemann, der Begründer der Homöopathie, als Sohn eines Meißener Porzellanmalers, geboren. Er wurde in eine Zeit großen Umbruchs in der Weltgeschichte hineingeboren. Es war die Zeit der Aufklärung (1740 - 1789). Der deutsche Philosoph, Immanuel Kant (1724 - 1804) prangert die Unmündigkeit des Menschen an. Er fordert den Menschen auf, selbst zu denken und damit einen großen Entwicklungsschritt in seiner Individualisierung zu tun.
Die Französische Revolution (1789 -1799) findet statt - sie bewirkt den Niedergang der absoluten Monarchie, die Republik wird ausgerufen. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit waren die neuen Werte. Ganz Europa wurde von diesem Geist erfasst und die Weltanschauung änderte sich grundlegend.
Neue Grundrechte wurden formuliert:
- die Freiheit, darunter die Meinungs- und Pressefreiheit
- die Berufs- und Gewerbefreiheit
- die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz
- das allgemeine Wahlrecht
- das Selbstbestimmungsrecht des Volkes
- und die Bindung des Staates an eine Verfassung
In diesem revolutionären Zeitgeist wurde Samuel Hahnemann geboren.
Er studierte gegen den Willen seines Vaters Medizin und bereits während seines Studiums übte Hahnemann Kritik an der orthodoxen Medizin.
Wie arbeiteten die Ärzte Mitte bis Ende des 18. Jahrhunderts?
Die Zeit der Aufklärung brachte zwar neue Strömungen in der Wissenschaft, aber innerhalb der Medizin beeinflusste immer noch die alte Humoralpathologie das medizinische Denken. Die Humoralpathologie ist die Lehre von den 4 Körpersäften - und gelbe Galle, Blut und Lymphe. Krankheit wurde in erster Linie als Vergiftung der Körpersäfte verstanden.
Die Behandlung bestand dementsprechend überwiegend aus exzessiven Ausleitungsverfahren z.B. Brechmittel, Abführmittel, Niesmittel, Schwitzkuren, Zugpflaster, Schröpfen, Blutegel und häufige Aderlässe. Beispielsweise musste König Ludwig XIII. 47 Aderlässe in einem Jahr über sich ergehen lassen. Das sind alle 8 Tage ein Aderlass. Kein Wunder also, dass die Ärzte als Blutsauger beschimpft wurden. Diese übermäßigen Ausleitungen schwächten den Organismus derart, dass viele kranke Menschen allein dadurch starben. Dazu behandelte man mit heroischen Dosen stark giftiger Medikamente z.B. das hochtoxische Quecksilberchlorid zur Behandlung der Syphilis. Die Menschen siechten dahin und starben reihenweise, ohne dass ein Bezug zu dieser giftigen Therapie hergestellt wurde.
Hahnemann spürte also bereits während seines Medizinstudiums, dass da irgendetwas im Medizinverständnis falsch ist. Er lehnte die orthodoxe barocke Medizin ab.
Nach einer anfänglichen unbefriedigenden Praxistätigkeit gibt er sie für 8 Jahre auf, um zu forschen. Er studiert Chemie und Pharmazie und vertieft sich weiter in die Medizin.
Hahnemann ist es wichtig, die "Selbstheilungsversuche" des kranken Menschen nicht zu stören oder gar unmöglich zu machen. Er spricht als erster über das Blut als "die Flüssigkeit des Lebens" und er verbietet jegliches Verfahren, das den Organismus unnötig schwächt.
Er begreift, dass die Wissenschaft etwas trennen möchte, was sich nicht trennen lässt - nämlich die Krankheit vom Menschen losgelöst zu betrachten.
Hahnemann sagt: "Jeder Erkrankte leidet an einer namenlosen Krankheit, die vor ihm noch nie eine andere Person unter gleichen Umständen und in der gleichen Art hatte bzw. je bekommen wird."
Es gibt also keine Krankheit an sich, sondern es gibt immer nur den kranken Menschen. Hahnemann fordert folgerichtig eine ganzheitliche Betrachtung und eine strenge Individualisierung eines jeden einzelnen Falls.
Hahnemann bestritt seinen Lebensunterhalt viele Jahre lang hauptsächlich mit Übersetzungen. Eines Tages übersetzte er einen Artikel von William Cullen, der über große Erfolge bei der Malaria mit der Chinarinde schrieb.
Hahnemann wollte es genau wissen und hat an sich selbst nachprobiert. Er hat 3 x 4 Quäntchen reinste Chinarinde eingenommen und er beschrieb seine Empfindungen, nachdem er die Chinarinde eingenommen hatte. Dabei stellte er zu seinem großen Erstaunen fest, dass die Symptome, die er durch die Einnahme der Chinarinde entwickelte, denen der Malaria, glichen. Die Symptome hielten für 3 Stunden nach der Einnahme an und verschwanden dann wieder. Und das jedes Mal nach Einnahme der Chinarinde.
Das war die erste Arzneimittelprüfung, die Hahnemann an sich selbst vornahm. Er erkannte aus diesem Selbstversuch, dass ein völlig anderes Prinzip wirksam sein musste, als man bisher annahm. Man war ja bestrebt, eine Arznei gegen ein Symptom oder eine Krankheit zu geben, also etwas, was dagegen wirkt.
Aber die Chinarinde hat nun bei ihm, als Gesundem, die gleichen Symptome hervorrufen wie die Malaria beim Kranken. Das stellte das ganze Weltbild auf den Kopf. Denn wenn die Chinarinde heilend auf den Malariakranken wirkt, sie aber beim Gesunden diese Symptome hervorruft, dann ist hier ein anderes Prinzip wirksam - nämlich:
Gleiches heilt Gleiches.
Aus dieser Erfahrung folgerte Hahnemann das sog. Ähnlichkeitsprinzip:
Similia similibus curentur. Es bedeutet, Ähnliches mit Ähnlichem heilen.
Hahnemann sagt: "Wir müssen Gleiches mit Gleichem heilen, das müssen wir lernen."
Dieses Ähnlichkeitsprinzip hat der Homöopathie auch ihren Namen gegeben. Das Wort Homöopathie kommt aus dem Griechischen, von ‚homoios' = das Gleiche, Ähnliche und von ‚pathos' = das Leiden. Homöopathie heißt also wörtlich: Ähnliches Leiden.
Dagegen Allopathie, ebenfalls aus dem Griechischen, ‚allos' = anders, also Allopathie heißt Anderes Leiden. Hier wird versucht mit Anderem, mit Gegensätzlichem, zu heilen.
Zwischen 1790 - 1796 führte Hahnemann 50 weitere Arzneimittelprüfungen durch.
Was ist eine Arzneimittelprüfung?
Es wird geprüft, wie wirkt die Arznei beim Gesunden? Welche Symptome ruft die Arznei beim Gesunden hervor? Und die Gesamtheit der Symptome, die ein Arzneimittel beim Gesunden hervorruft, nennt man Arzneimittelbild. Arzneimittelbilder sind wichtig für die Arzneimittelwahl.
Es gibt also die Arzneimittelbilder und es gibt Krankheitsbilder. Ein Krankheitsbild ist die Gesamtheit der Symptome einer Krankheit. Der Homöopath vergleicht die Gesamtheit der Symptome eines Kranken, also das individuelle Krankheitsbild, mit den Arzneimittelbildern, um das genau passende Arzneimittel für den Kranken zu finden.
1796 veröffentlichte Hahnemann seine erste Schrift über seine Forschungen. Daher gilt dieses Jahr als das Geburtsjahr der Homöopathie. Über 60 Jahre forschte er, um dem Geheimnis von Gesundheit und Krankheit näher zu kommen. Über 90 Arzneimittelprüfungen machte er selbst. Seine Erkenntnisse schrieb er in seinem Buch "Organon der Heilkunst" nieder, das erstmals 1810 veröffentlicht wurde.
Hahnemann war zeitlebens der Zankapfel seiner medizinischen Zeitgenossen, die seinem revolutionären Denken nicht folgen konnten. Er starb 1843 im Alter von 88 Jahren in Paris, wo er die letzten 6 Jahre lebte, praktizierte und forschte, und die Homöopathie in Frankreich maßgeblich mitprägte.
Die Prinzipien der Homöopathie
Wir haben bereits zwei wichtige Prinzipien der Homöopathie kennen gelernt:
- Das Ähnlichkeitsprinzip - Ähnliches mit Ähnlichem heilen
- Das entscheidende Auswahlkriterium für ein homöopathisches Arzneimittel ist,
dass es an Gesunden ähnliche Symptome hervorruft, wie die, an dem der Kranke leidet.
Die Wertigkeit der Symptome
Die Krankheitssymptome haben in der Homöopathie eine unterschiedliche Wertigkeit, d.h. die Symptome sind verschieden wertvoll für die Findung des homöopathischen Heilmittels.
- In der Homöopathie sind besonders die Symptome wertvoll, die gerade diesen Patienten von allen anderen mit der gleichen
Krankheit unterscheiden und die damit seine Individualität betonen.
- Von größter Wichtigkeit sind die geistigen Symptome und Gemütserregungen wie Eifersucht, Reizbarkeit, Traurigkeit usw.
- … aber auch Allgemeinsymptome wie Schlafverhalten, Vorlieben, Abneigungen, Träume usw.
- Wichtig sind auch die Auslöser einer Erkrankung, solche Ereignisse, die dem späteren Krankheitszustand unmittelbar vorausgingen.
Z.B. Sturz, Gehirnerschütterung, körperliche Anstrengungen, Stress, aber auch Demütigungen, Ärger, Trauer usw.
- Dann gibt es die körperlichen Krankheitssymptome, die aus 5 Unterteilungen bestehen:
Was sind (Krankheits-) Symptome?
- Lokalisation und Erstreckung (Ort der Beschwerde)
- Zeit (Beginn, Dauer, Ablauf, Periodizität, Wechsel mit anderen Symptomen)
- Empfindungen (Beschreibung der Qualität, Charakter der Beschwerde, z.B. stechend, klopfend, Druck…)
- Modalität (Verbesserung/Verschlechterung bei Ruhe, Bewegung, Kälte, Wärme, Berührung usw.)
- evtl. Begleitsymptome (z.B. Übelkeit oder Erbrechen bei Migräne)
Hahnemann ging davon aus, dass Krankheitssymptome nicht die Krankheit selbst sind, sondern sie sind Erscheinungen, die beim Bemühen des Körpers, selbsttätig wieder das Gleichgewicht herzustellen, auftreten.
Hahnemann kam bei seinen Beobachtungen zu dem Schluss, dass Krankheit nur entstehen kann, wenn es eine Störung, eine Disharmonie, der Lebenskraft gibt. Die Lebenskraft versucht über den körperlichen Ausdruck, auch Symptome genannt, dieses Ungleichgewicht auszuheilen.
Das bedeutet, körperlich sichtbare Symptome sind der sichtbare Ausdruck eines Ungleichgewichts bzw. des Heilungsgeschehens oder des Versuchs einer Heilung. Krankheitssymptome sind also Erscheinungen beim kranken Menschen im Bemühen, sich selbst zu heilen. Wenn wir Arzneimittel gegen die Krankheitssymptome geben, stören und unterbrechen wir den Organismus folglich in seinem Selbstheilungsprozess.
Hahnemanns Überlegung war nun, dem Kranken die Arznei zu geben, die die gleichen Symptome verursacht, dadurch könnte der Organismus entlastet und die Selbstheilung beschleunigt werden, so dass die Lebenskraft wieder richtig im Organismus wirken kann.
Wenn nun die Arzneisymptome aber stärker waren als die Krankheitssymptome, kam es zum Phänomen der Erstreaktion, zu einer so genannten Erstverschlimmerung.
Deshalb und wegen der hohen Giftigkeit vieler Arzneimittel, begann er die Arzneidosen immer mehr zu verkleinern. Insbesondere für die Behandlung versuchte er die kleinste Dosis herauszufinden, mit der er noch eine Wirkung erzielen konnte. Aber ab einer bestimmten Verdünnung wirkten die Arzneien nicht mehr.
Das Prinzip der Dynamisation, des Potenzierens
Hahnemann experimentierte weiter mit einer genialen Idee. Er verdünnte die Arznei jetzt nicht nur, sondern er begann sie mit dem Verdünnen innig zu verreiben und zu verschütteln.
Nun stelle er fest, je geringer die Dosis, d.h. je höher die Verdünnung, desto besser die Resultate. Hahnemann entdeckte so das Prinzip der Dynamisation, was man auch Potenzieren nennt. (Dynamisation heißt, Verstärkung durch Bewegung, nämlich Verreiben und Schütteln). Die Dynamisation, bzw. Potenzierung ist ein weiters wichtiges Prinzip der Homöopathie.
Beschreibung der Potenzierung
Hahnemann verwendete pflanzliche, tierische, mineralische und chemische Arznei-Ursubstanzen.
C-Potenzen (C = Centesimal = 100):
1 Teil der Arznei-Ursubstanz wird mit 99 Teilen Milchzucker (als Trägersubstanz) eine Stunde lang im Mörser verrieben = C1
1 Teil der C1 wird mit 99 Teilen Milchzucker verrieben = C2
1 Teil der C2 wird mit 99 Teilen Milchzucker verrieben = C3
Meist ab der C3 folgendes Vorgehen:
1 Teil C3 wird mit 99 Tropfen Alkohol (als Trägerstoff) mit 100 Schüttelschlägen verschüttelt = C4
Und so wird immer weiter potenziert bis C30, C200 oder auch höher.
Hahnemann selbst hat vorwiegend mit der C30 und C200 gearbeitet.
Er hat - für die damalige Zeit - festgestellt, dass höhere C-Potenzen keinen weiteren Vorteil mehr bringen. Es kann sogar der Prozess ins Gegenteil umkippen.
Trotz der hohen C-Potenzen war das Problem der Erstreaktionen immer noch nicht gelöst. Die C-Potenzen waren nicht so leicht zu handhaben. Sie wirkten zwar tief greifend, aber sehr lange. Das heißt: Eine Gabe konnte monatelang wirken. Er musste also sehr vorsichtig damit umgehen.
So experimentierte er weiter und fand die Q-Potenzen (Q = quinquagies millesimale = 50.000). Sie lösten für ihn alle Probleme der Erstverschlimmerung. Die Q-Potenzen können ohne Schaden öfter gegeben werden, also im Akutfall alle 2 Stunden bis zu jeden 2. Tag. Sie wirken mild, zuverlässig und schnell. Die Q-Potenzen hat Hahnemann erst während seiner letzten Lebensjahre gefunden, mit denen er dann fast ausschließlich arbeitete.
Seine Erfahrungen mit den Q-Potenzen und die Herstellungsweise derselben beschrieb Hahnemann in der 6. Ausgabe des "Organon der Heilkunst". Sie wurde aber nicht mehr zu seinen Lebzeiten veröffentlicht. Erst 1921 kam die 6. Auflage zur Veröffentlichung, weshalb die Q-Potenzen, die vielfach auch fälschlicherweise als LM-Potenzen bezeichnet werden, erst spät bekannt wurden.
Herstellung der Q-Potenz:
Zunächst Potenzierung des Arzneistoffes bis zur C3, dann 1 Teil C3 mit 500 Tr. Alkohol mit 100 Schüttelschlägen verschütteln. Davon 1 Teil mit 100 Tr. Alkohol mit 100 Schüttelschlägen verschütteln. 500 x 100 = 50.000 => das ist die 50-tausender Potenzierung. Mit dieser Flüssigkeit werden nun ca. 50000 Globuli getränkt und getrocknet = Q1.
1 Globuli der Q1 in einem Tropfen Wasser auflösen und mit 100 Tropfen Alkohol und 100 Schüttelschlägen verschütteln = Q2.
Alle weiteren Q-Potenzen werden wie der zuletzt beschriebene Schritt weiterpotenziert, nur dass immer 1 Globuli der zuletzt hergestellten Q-Potenz für die nächste verwendet wird.
Die weitaus bekannteren Potenzen sind die D-Potenzen (D = dezi = 10). Sie wurden erst nach Hahnemanns Tod von Dr. Vehsemeyer eingeführt.
Hier wird die Arzneisubstanz 1:9 potenziert, also jeweils 1 Teil Arzneisubstanz mit 9 Teilen Trägerstoff (Milchzucker, Alkohol oder Wasser). Bei Flüssigkeiten wird mit 10 Schüttelschlägen potenziert.
Kein Molekül Arznei-Ursubstanz im Heilmittel
Aus der Chemie wissen wir, dass bei einer Verdünnung von 10²³ kein einziges Molekül mehr von der Arzneisubstanz in der Trägersubstanz - sei es Wasser, Alkohol oder Milchzucker - mehr enthalten sein kann.
Bei Verdünnungsverhältnissen in der C12, bzw. der Q8, bzw. der D23 und allen höheren Verdünnungen ist theoretisch also kein Molekül der Ausgangssubstanz mehr vorhanden. C15 bzw. Q9-10 bzw. D30 entspricht einem einzigen Tropfen auf das gesamte Erdvolumen.
Wir sehen, wir verlassen hier die Ebene der bloßen Materie, der Substanz, des Stoffes. Was hier wirkt, kann nicht mehr die Substanz sein. Das ist völlig klar.
Aber was wirkt dann?
Den Vorgang des Verreibens und Verschüttelns nennt Hahnemann Potenzieren. Das Wort Potenzieren kommt von Potenz, das bedeutet Kraft.
Hahnemann schreibt: "Die in der Materie verborgen liegenden Kräfte werden dabei (beim Dynamisieren) mehr und mehr enthüllt, und dieser Prozess vergeistigt die Materie selbst, subtilisiert (verfeinert) sie zu geistiger Arzneikraft". Hahnemann sagt also, es ist der Geist der Arzneisubstanz, der wirkt.
Die Apothekerin Frau Gudjons, die selbst homöopathische Arzneien herstellt, schreibt: "Wenn Hahnemann über das Subtilisieren (Verfeinern) der Materie und vom Entfalten des Geistartigen der Arzneikörper berichtet, wurde das sofort verständlich, wenn man die Aufmerksamkeit auf die Substanz richtete. Ein Teil der Arzneikraft wurde schon beim Verreiben erlebbar in Empfindungen und inneren Bildern. Heute, nach vielen Jahren Erfahrung mit dem Feinstofflichen an unseren Ausgangssubstanzen, kann ich mich sicher wissen in meinem Empfinden: Materie ist wesenhaft, jede Substanz ist - auch - Geist, oder wenn sie so wollen, individuelle Information."
Dr. Vehsemeyer konnte sich nicht vorstellen, dass ein Mittel ohne Substanz wirken kann. Er glaubte, wenn ein Mittel nicht wirkt, kann es nur an der zu geringen Menge liegen. Um es zur Wirkung zu bringen, muss man mehr geben. So entwickelte er die D-Potenzen. Vehsemeyer bleibt also an der Substanz hängen. Er versteht Hahnemann nicht, wenn dieser vom Geistartigen der Arznei spricht.
Hahnemanns langjährige Erfahrung dagegen ist: "Je höher man die mit Potenzierung verbundene Verdünnung treibt, desto schneller wirkend und eindringlicher scheint das Präparat die Lebenskraft arzneilich umzustimmen und das Befinden zu ändern…".
Die hohen Potenzen heilten sicherer, schneller und die Wirkungsbreite nahm zu.
Dennoch hatten sich schließlich in Deutschland die D-Potenzen durchgesetzt. Der Grund ist sicherlich, weil immer noch die Materie weitestgehend als fest und endlich definiert wurde.
Was ist Materie?
Materie besteht aus Atomen, die zu Molekülen strukturiert sind. Ein Atom besteht aus einem Atomkern und der Atomhülle. Der Atomkern besteht aus den positiv geladenen Protonen und den neutralen Neutronen. Die Atomhülle besteht aus den negativ geladenen Elektronen, die in hoher Geschwindigkeit den Atomkern umkreisen. Die noch kleineren Teilchen, die inzwischen gefunden wurden, können wir für den Zweck unserer Betrachtung zunächst vernachlässigen.
Größenverhältnis des Atomkerns zur Hülle:
Der Atomkern ist 10.000 Mal kleiner als die Atomhülle, das entspricht einem Zentimeter zu 10.000 Zentimetern (10.000 cm = 100 m) - das entspricht 1 Kirschkern zu 4 x Passauer Dom nebeneinander.
Elektronen haben vernachlässigbare Masse (1/1836 eines Protons). Das heißt, praktisch die gesamte Masse eines Atoms ist im Atomkern vereinigt. Daher besteht ein Atom überwiegend aus leerem Raum. Selbst bei festen Körpern ist nur ein verschwindend geringer Volumenanteil von Materie erfüllt. Wenn man die Atome eines riesigen Ozeandampfers zusammenpressen würde, dass die Elektronen dicht an den Atomkernen zu liegen kämen, erhielte man nur eine winzige Menge an Materie in der Größe einer Stecknadel. Die Masse bliebe aber dieselbe. Atome sind 99,99999% leerer Raum.
Materie besteht also im Wesentlichen aus leerem Raum.
Ein Atom ist so winzig (10 Mio. Atome entspricht ca. 1mm), dass wir es mit bloßem Auge nicht sehen können, wenn sich mehrere Atome zu Molekülen zusammenschließen, wird dieser leere Raum nur sichtbar für uns durch die schnelle Bewegung der vielen Elektronen um die Atomkerne.
Zum Beispiel, eine schnell kreisende Fackel ist als drehendes Feuerrad zu sehen. Doch sowohl bei der Fackel als auch bei dem Rad braucht es etwas, das die Fackel oder das Rad in Bewegung hält. Von selbst dreht sich weder, das Rad noch die Fackel. Es braucht d azu eine Krafteinwirkung für die Bewegung.
Zur Verdeutlichung ein Zitat von Max Planck, aus seiner Dankesrede bei der Verleihung des Nobelpreises für Physik im Jahre 1919 für seine Forschungen zum Atom:
"Als Physiker, also als Mann, der sein ganzes Leben der nüchternen Wissenschaft, nämlich der Erforschung der Materie diente, bin ich sicher frei davon, für einen Schwarmgeist gehalten zu werden. Und so sage ich Ihnen nach meiner Erforschung des Atoms dieses: Es gibt keine Materie an sich!!! Alle Materie entsteht und besteht nur durch eine Kraft, welche die Atomteilchen in Schwingung bringt und sie im winzigsten Sonnensystem des Atoms zusammenhält. Da es aber im ganzen Weltall weder eine intelligente noch eine ewige Kraft gibt, so müssen wir hinter dieser Kraft einen bewussten, intelligenten Geist annehmen. Dieser Geist ist der Urgrund der Materie."
Und damit kommen wir wieder zu Hahnemann zurück. Am Anfang spricht der strikte Materialist Hahnemann nur vom Körper und Organismus, aber nach rund 40 Jahren intensiver Forschung erkennt er, dass sich der metaphysische Gedanke einer "belebenden Kraft" nicht umgehen lässt. Hahnemann nimmt eine Kraft an, die "geistartige Lebenskraft", die innerhalb eines jeden einzelnen Organismus äußere Reize reguliert und ausgleicht.
Damit verknüpfte Hahnemann Lebensprinzip und Körperlichkeit in einer Art, die für seine Zeit revolutionär war. Er akzeptierte Materialismus und Metaphysik gleichermaßen und schuf damit ein ganzheitliches Therapiekonzept.
Wie kann die Homöopathie wirken, wenn keine Substanz mehr vorhanden ist, kein einziges Molekül? Welche Erkenntnisse haben wir heute?
Heute kann man nachweisen, dass durch das Potenzieren die Gitterstruktur des Trägerstoffes (Alkohol, Wasser, Milchzucker) verändert wird. Die Veränderung der Gitterstruktur ist abhängig von der ursprünglichen Arzneisubstanz. Das bedeutet die Anordnung der Moleküle ändert sich spezifisch je nachdem, welcher Ausgangsstoff verwendet wird. Die Moleküle selbst verändern sich nicht, aber die Winkel, wie sie zueinander angeordnet sind. Das ist wie ein Fingerabdruck, der sich dem Trägerstoff einprägt. Das kann man nachweisen, auch wenn kein Molekül vom ursprünglichen Arzneimittel mehr vorhanden ist.
Nehmen wir als Beispiel einen Baumwollstoff als Analogie. Der Baumwollstoff an sich ist der Trägerstoff. Aber in diesen Stoff können wir verschiedene Muster hineinweben. Das entspricht dem Geist der Arzneisubstanz. Bei einer chemischen Untersuchung allerdings werden wir immer nur herausfinden, dass es sich um einen Baumwollstoff handelt. Dennoch üben die verschiedenen Muster im Baumwollstoff unterschiedliche Wirkungen auf uns aus.
Genauso wird dem Trägerstoff durch das Potenzieren die individuelle Information des Arzneimittels eingeprägt, auch wenn nichts Stoffliches mehr vorhanden ist. Die Information, das Geistartige ist gegenwärtig.
Die Wasserkristallfotografien des japanischen Forschers Masaru Emoto sind recht bekannt. Er hat eine Technik entwickelt, gefrorenes Wasser in mikroskopisch dünne Scheiben zu schneiden, und bevor es schmilzt zu fotografieren. Was man dann sehen kann, ist die Kristallstruktur des Wassers. So hat er die Kristallstruktur von sehr vielen verschiedenen Wässern im Bild festgehalten. Und er hat zahlreiche Experimente gemacht. Er hat verschiedene Quellwässer, Leitungswässer, Wasser von Flüssen, Seen usw. untersucht, mit verschiedener Musik beschalltes Wasser, besprochenes Wasser, Wasser auf das verschiedene Gedanken oder Gefühle projiziert wurden, oder er hat Wasser auf ein Bild gestellt oder auf ein geschriebenes Wort.
Er stellte dabei fest, dass Wasser auf Gedanken, Worte, Musik, Bilder usw. reagiert. Die Kristallstruktur verändert sich spezifisch. Bei aufbauenden Gedanken und Worten entstehen wunderschöne Kristallstrukturen, bei Ausdruck von Abbauendem entstehen entstellte, zersprengte Kristalle und es zeigen sich Auflösungserscheinungen der Struktur.
Masaru Emoto hat auch Versuche mit homöopathischen Mitteln gemacht und festgestellt, dass verschiedene homöopathische Arzneien verschiedene spezifische Kristallstrukturen bilden.
Das Interessante an den Kristallbildern ist aber, dass wir daraus Erkennen, dass es noch nicht einmal etwas Stoffliches braucht, um einen Eindruck, ein Muster, auf eine Trägersubstanz, wie hier z.B. Wasser, einzuprägen. Es genügt schon ein Gedanke.
Das sollte uns hinsichtlich dessen, dass der erwachsene Mensch aus mindestens 60-70 % aus Wasser besteht, zum Nachdenken anregen; z.B.: Was denke ich über mich selbst? Wie verhalte ich mich mir selbst gegenüber? Wie liebevoll und mitfühlend bin ich mir selbst gegenüber? ...
Und es gibt noch ein anderes Experiment, nämlich mit gekochtem Reis. Der wurde in zwei identische Glasgefäße gegeben. Dann wurde jeden Tag zu dem Reis gesprochen, zum einen Reisgefäß "Danke", zum anderen "Dummkopf". Das wurde einen Monat lang gemacht und beobachtet. Das Resultat war folgendes: Der Reis, zu dem "Danke" gesagt worden war, war von heller, gelber Farbe, war fast fermentiert und wies ein sanftes Aroma gemalzten Reises auf. Der andere Reis, zu dem "Dummkopf" gesagt wurde, war schwarz und verrottet und der Gestank war unbeschreiblich.
Bei diesem Vorgang sind ja auch Mikroben involviert. Es scheint, dass die Mikroben, wenn man sie mit "Danke" oder "Dummkopf" bespricht, sich entweder zu Gruppen gutmütiger oder eben nachteiliger Bakterien zusammenschließen. Wenn wir bedenken, dass 50 % unseres so genannten Immunsystems durch das Bakterienmilieu unseres Dickdarms gestellt werden, sehen wir, welch großen Einfluss unser Denken, Sprechen und Fühlen auf unseren eigenen Organismus und auch auf unsere Mitmenschen und unsere Umwelt hat!
Hierdurch wird auch die Wichtigkeit der Geistes- und Gemütssymptome in der Homöopathie verständlich.
Schon Dr. Bach, der Finder der Bachblüten, erkannte eine Beziehung zwischen dem Bakterienmilieu, d.h. den vorherrschenden Bakterienstämmen des Darmes zum Gemüt der Menschen.
Noch ein weiterer Aspekt dieses Experimentes ist wichtig für das Verständnis der Homöopathie.
Bei der Herstellung der homöopathischen Arznei, wenn man es so macht, wie Hahnemann es forderte - und Hahnemann sagte: "Macht`s nach, aber macht`s genau nach!" - verbindet sich die Person aufs innigste mit der Ausgangssubstanz. Sie verreibt stundenlang, sie schüttelt tausende Male. Das ist ein Vorgehen, das Konzentration, Präsenz, Intensität und ein sich Einlassen auf den Arzneistoff erfordert.
Hahnemann hat übrigens gefordert, dass der Arzt seine Arzneien selbst herstellen soll. Das ist bei unserem gültigen Arzneimittelgesetz verboten. Es gibt Richtlinien für die Herstellung homöopathischer Arzneien, sie orientieren sich an Hahnemann, lassen aber sehr viel Spielraum. Das heißt jedoch nicht, dass die mit Maschinen hergestellten homöopathischen Arzneien überhaupt nicht mehr wirken, aber sie sind nicht so zuverlässig in ihrer Wirksamkeit, insbesondere bei den höheren Potenzen.
Die Qualität einer homöopathischen Arznei ist daher auch abhängig vom Geist des Herstellers, der sich mit dem Geist der Arzneisubstanz verbindet und diesen durch den innigen Austausch (Verreibung, Verschüttlung) zum Wohle der Menschen aktiviert.
Der Geist ist denn auch richtungweisend für die Mittelwahl.
Hahnemann sagt: "Der Geistes- und Gemütszustand soll den Ausschlag geben für die Mittelwahl. Man wird nie homöopathisch heilen, wenn man nicht bei jedem, auch akuten Krankheitsfall, mit auf das Symptom der Geistes- und Gemütsveränderung sieht und bei der Mittelwahl berücksichtigt."
Die Störung des Allgemeinzustands und des Geistes- und Gemütszustands ist der eigentliche Teil der Erkrankung der behandelt werden muss. Es ist die zentrale Störung des Organismus. Die Auswirkungen auf lokaler Ebene können je nach Disposition der betreffenden Person mannigfaltig sein, stellen aber nicht den wesentlichen Kern der Erkrankung dar und müssen somit nicht unbedingt von dem passenden Medikament abgedeckt werden.
Wie sieht die Praxis aus?
Heute gibt es verschiedene Ausrichtungen in der Homöopathie. Ich möchte die zwei wichtigsten vorstellen.
Die eine ist die klassische Homöopathie. Sie richtet sich strikt nach Hahnemann. Das Arzneimittel wird nach gründlicher Anamnese, Beobachtung und Befragung und anschließender Auswertung und Repertorisierung - also Vergleich mit den Arzneimittelbildern, grundsätzlich nach dem individuellen Symptombild des Kranken ausgewählt. Es wird nur ein Mittel auf einmal verabreicht, meist eine hohe Potenz. Nach Hahnemann ist die Verabreichung mehrerer Arzneien auf einmal ein Verrat an der göttlichen Homöopathie.
Es werden sowohl akute als auch chronische Krankheiten behandelt. Es gibt besondere chronische Krankheiten, die nur schwer mit Homöopathie zu beeinflussen sind. Die Miasmenlehre (Miasma, gr. Verunreinigung, übler Dunst) erklärt, dass Krankheiten über Generationen weitergegeben werden können. Diese Krankheiten erfordern eine andere Vorgehensweise, nämlich ein zwiebelschalenartiges in die Tiefe arbeiten. Dies nennt man in der Homöopathie Konstitutionstherapie.
Neben dieser klassischen Homöopathie gibt es die naturwissenschaftlich-kritische Methode. Diejenigen, die diese Methode bevorzugen, haben sich vom materialistischen Denken noch nicht lösen können. Sie verwenden meist niedere D-Potenzen bis D12. Oft kommen dann auch so genannte Komplexmittel zum Einsatz. Das ist eine Mischung von verschiedenen homöopathischen Mitteln, die für eine bestimmte Krankheit zusammengestellt wurden (auch Laienhomöopathie). Bei dieser Vorgehensweise wird das Arzneimittel nicht nach dem individuellen Symptombild des Kranken verordnet, sondern nach der Pathologie, der Krankheit.
Nach Hahnemann lassen sich homöopathische und allopathische Arzneimittel nicht vereinen. Das ist auch logisch, denn, wie wir gehört haben, heilt die Homöopathie Ähnliches mit Ähnlichem - Allopathie mit Anderem. Sie haben also entgegengesetzte Therapieansätze.
Die Schulmedizin versucht Symptome zu beseitigen, die für sich bereits als Krankheit definiert werden. Die Homöopathie dagegen möchte einen kranken Menschen, den ganzen Menschen heilen, wobei die Symptome zum Heilmittel führen. Die Symptome sind das, was wir wahrnehmen können, wenn ein Mensch krank ist, d.h. wenn seine Lebenskraft gestört ist. Die Symptome sind bereits der Versuch der Heilung, sie sind nicht die Krankheit selbst. Das ist ein entscheidender Unterschied (auch zur naturwissenschaftlich-kritischen Methode).
In der Debatte um die Wissenschaftlichkeit der Homöopathie wird oft behauptet, sie sei eigentlich gar nicht "wissenschaftlich bewiesen". Kritisiert wird, dass die Homöopathie keine Wirksamkeitsnachweise für die Methode insgesamt oder einzelne Arzneimittel vorgelegt hat, wie sie heute von der Schulmedizin gefordert werden.
Die Begründung der "wissenschaftlichen Nichtbeweisbarkeit der Homöopathie" wurde 1993 vom Bundesgerichtshof in folgendem Urteil aufgehoben: Weltweit gibt es etwa 30.000 verschiedene Krankheiten, von denen 20.000 auch mit schulmedizinischer Behandlung als unheilbar gelten. Gerade bei diesen Krankheiten, bei denen anerkannte Behandlungen versagen, müssen Alternativen gesucht werden. Damit ist die "Wissenschaftlichkeitsklausel" kein Argument mehr.
Was bei der Homöopathie nicht möglich ist, sind vergleichende Studien an Menschen, weil ein völlig anderer Denkansatz dahinter steht. Wir können keine vergleichenden Studien anstellen, da jeder Mensch einmalig ist, auch als kranker Mensch. Wir können keinen zwei verschiedenen Menschen die gleichen Arzneimittel geben, auch wenn die Symptome sehr ähnlich sind, auch wenn die Krankheit den gleichen Namen hat.
Wir müssen von der Gesamtheit der Symptome ausgehen, erst sie machen eine Krankheit aus, und insbesondere sind die geistigen- und Gemütssymptome zu berücksichtigen. Das zeigt natürlich auch, dass es eine hohe Kunst ist, die richtige Arznei herauszufinden.
Zusammenfassung der wichtigsten Prinzipien der Homöopathie
Die wichtigsten Merkmale der Homöopathie sind die gezielte Arzneimittelwahl mit Hilfe der Ähnlichkeitsregel, die sich nach den individuellen Krankheitszeichen und Persönlichkeitsmerkmalen des Patienten richtet, sowie die Verwendung der Arzneimittel in potenzierter Form.
Hahnemann war seiner Zeit weit voraus. Heute, mit den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen können wir langsam erahnen, welch revolutionäre Entdeckung er mit der Homöopathie gemacht hat:
"Sie arbeitet mit und ohne Materie
und dient uns still und unauffällig als Brücke zwischen den Welten."
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